Ein Tool zum gelasseneren Umgang mit Meinungsverschiedenheiten, Verschwörungstheorien und Konflikten

In der Beratungsstelle ZEBRA/BW haben wir nun seit mehr als drei Jahren Angehörige, Freunde oder Kollegen im Kontext „Verschwörungstheorien“ beraten. Aus dieser beraterischen Arbeit wurde u.a. ein praktisches Tool entwickelt, welches sich im Umgang mit den Konfliktparteien bewährt hat. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die „Innere Landkarte“ und deren vielfältige Einsatzmöglichkeiten vor.

Ein Patentrezept für den Umgang mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind einerseits die Themen selbst und andererseits die individuellen Bezugspunkte. Grundsätzlich ist immer auch zu berücksichtigen, wie extrem Betreffende in ihren Ansichten sind. Eine zuletzt neu ins Bewusstsein gerückte Herausforderung ist der Umgang mit Verschwörungsgläubigen. Es bedarf eines differenzierten Blicks auf die sog. Verschwörungstheoretiker*innen. Denn nicht jede*r Skeptiker*in ist „Verschwörungstheoretiker*in“. Vielmehr kultivieren einige eher einen Nicht-Glauben, ohne jedoch eine eigene Erklärung parat zu haben oder eine Verschwörungstheorie (VST) hinter einem Ereignis zu wittern. In Diskussionen sollte man sich daher der stigmatisierenden Wirkung des Begriffes bewusst sein – denn Verschwörungstheoretiker*in sind immer die anderen, keine*r würde sich selbst so bezeichnen. Hier wie auch bei vielen weiteren Konfliktarten entsteht und verfestigt sich häufig eine Streitdynamik auf der Sachebene. Das heißt es werden auf einer sichtbaren Ebene Diskussionen über vermeintliche Faken, stattgefundene Situationen, Medien etc. ausgeführt. In den meisten Fällen kann der Konflikt dadurch nicht gelöst werden, es verhärten sich vielmehr die gegenseitigen Positionen. Im gemeinsamen Umgang ist es wichtig, eine Gesprächs- und Diskussionskultur zu üben, in welcher unterschiedliche Standpunkte und Glaubensüberzeugungen vertreten werden können, gleichzeitig jedoch auch fragwürdige/ problematische Argumentationsstrukturen durchschaut und dekonstruiert werden.

In der emotions- und lösungsorientierten Arbeit mit Klient*innen hat sich das Einführen des Eisberg-Modells bewährt. Mit dieser Metapher lassen sich Konfliktstrukturen für KlientInnen bildhaft darstellen. Lediglich ein geringer Teil des gesamten Eisbergs ist über der Wasseroberfläche sichtbar. Der überwiegende Anteil befindet sich unterhalb der Wasseroberfläche und ist zunächst nicht erkennbar. Ebenso verhält es sich mit den unterschiedlichen Anteilen in einem Konflikt. Der bedeutungsvollste Anteil des Konflikts ist dabei häufig nicht auf der Sachebene (also über Wasser) zu verorten, sondern auf der Beziehungsebene (also unter Wasser). Das bedeutet, dass der Fokus weg von vermeintlichen Fakten und Tatsachen hin zu den Gefühlen, Bedürfnissen, inneren Sehnsüchten, Werten und der Bedeutung dieser für die jeweilige Person gerückt wird.

Die Innere Landkarte kann ein hilfreiches Tool sein, um Gespräche (wieder-) aufnehmen und Brücken zwischen den „beiden Positionen“ bauen zu können. Sie weckt zunächst bei Menschen aller Altersstufen den innewohnenden Entdeckergeist -auch bei den Menschen, denen es manchmal schwer fällt über Gefühle zu sprechen. Die Karte lädt ein mit den Blicken umherzuwandern und eröffnet dabei spielerisch Möglichkeiten innere Erlebnisse und Gefühlszustände behutsam ins Bild zu bringen und somit kommunizierbar zu machen. Durch die detailreichen Bild- und Farbelemente bestehen unzählige Möglichkeiten Neues zu entdecken, weiterzuschreiten, Veränderungen anzustoßen sowie Ausschau oder Inne zu halten. Sie eignet sich für den Einsatz mit Einzelpersonen, Paaren, Teams und (Selbsthilfe-) Gruppen zu jedem Zeitpunkt eines Prozesses – zu Beginn, gegen Ende oder Zwischendrin. Eine zeitlich festgelegte Dauer gibt es nicht. Ebenso können der Raum und die dabei verwendeten Figuren frei gewählt und an die Bedürfnisse der beteiligten Personen angepasst werden.

Einsatzmöglichkeiten

  • Zum gegenseitigen Kennenlernen oder zur Ergänzung bereits bekannter Informationen
  • Zur Einordnung der Eskalationsstufe von Konflikten
  • Um innere Haltungen herausarbeiten und ggf. stärken zu können
  • Als Hilfestellung zur Gefühlsbenennung
  • Zur Darstellung von Beziehungsmustern und -dynamiken sowie Konflikttypen
  • Um Prozesse nachstellen und sichtbar werden zu lassen
  • Als Möglichkeit mit inneren Anteilen zu arbeiten
  • Um probeweise neue Situationen/ Interaktionen testen zu können
  • Zur Entdeckung neuer Sichtweisen und Ressourcen
  • Als Hausaufgabe/ zur unabhängigen Reflexionsarbeit für Einzelpersonen, Paare, Gruppen

Zur Ergänzung der Inneren Landkarte gibt es ein Handkartenset, das farblich sortiert unterschiedliche Themenbereiche (z.B. VST, Lösungsorientierung & Ressourcen, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) aufgreift und entsprechende Reflexionsfragen (z.B. „Was würde es für Sie bedeuten, wenn es Ihnen nicht gelingt, die andere Person zu überzeugen?“, „In welchen Bereichen einigen Sie sich darauf, dass Sie sich uneinig sind? Wie möchten Sie mit der Uneinigkeit umgehen?“) beinhaltet. Somit können spezifische Themen vorgegeben werden oder nach freier Themenwahl mit den Fragen und der Inneren Landkarte gearbeitet werden.

Derzeit sind wir noch dabei die Landkarte erfahrungsbezogen zu verbessern. Bei Interesse an einer Testversion, wenden Sie sich gerne an uns: info@zebra-bw.de. Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen.

Luisa Heizmann