Demnächst wird unser Jahresbericht für das Jahr 2021 veröffentlicht. Mit Feuereifer haben wir unsere Zahlen für das vergangene Jahr (2021) ausgewertet und wollen hier schonmal einen kleinen Einblick geben. Der Jahresbericht wird dann in einigen Wochen auch komplett auf unserer Homepage hochgeladen. Was war los im letzten Jahr? Unsere Anfragen haben sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. So verzeichnen wir insgesamt 825 Erstanfragen, die sich auf Klientenkontakte, Presse, Kooperationskontakte und Vortragskontakte verteilen. Wir leisteten eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit und hatten mit 81 verschiedenen Pressevertretern Kontakt zu Interviews, Recherchezwecken, Radio oder TV-Beiträgen. Mehr dazu finden Sie in unserem ausführlichen Pressespiegel. Wir hielten ca. 20 Vorträge.

Mit 621 Erstkontakten im Bereich der Anfragen von Ratsuchenden erlebten wir mehr als eine Verdoppelung der Fallzahlen. Am häufigsten war Beratung zum Thema Verschwörungstheorien nachgefragt. 377 Erstanfragen bezogen sich auf dieses Themenfeld. Esoterik, neue religiöse Bewegungen und Coaches belegten Platz Zwei bei unseren Anfragen.

Gerade die Pandemie und die damit verbreitete Verunsicherung und Polarisierung lässt vermutlich die hohen Fallanfragen im Bereich der Verschwörungstheorien verstehen. In Baden-Württemberg existiert bislang kein vergleichbares Angebot zu diesem Themenfeld.

Ganz allgemein lässt sich feststellen: Unsere Gesellschaft befindet sich in einem Prozess fortlaufender Veränderung, bedingt durch Digitalisierung, Modernisierung und Pluralisierung. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse haben immer auch Rückkopplungseffekte auf Glauben. Was wir derzeit auf dem Markt der Weltanschauungen beobachten können, deutet darauf hin, dass sich zwar durchaus Säkularisierungsprozesse vollziehen, die zunehmende Individualisierung jedoch gravierendere Auswirkungen auf den Glauben hat. Das bedeutet, es gibt eine wachsende Anzahl von Menschen, die Glaubensüberzeugungen den Rücken kehren, gleichzeitig nimmt aber die individuelle Experimentierfreudigkeit zu. Nichtinstitutionalisierte Religionsformen boomen. Die „Patchworkreligion“, der „Flickenteppichglaube“, das Phänomen der „religiösen Touristen“ sind Ausdruck solcher Subjektivierungsprozesse.

Wichtig ist es, einen differenzierten Blick zu behalten. Denn trotz Säkularisierungstendenzen spielt Glauben in bestimmten Milieus nach wie vor eine wichtige Rolle. Abzuwarten bleibt auch, wie sich die zunehmende Digitalisierung auf den Bereich der Religionen auswirken wird. Für manche Gruppierung war Corona und der Lockdown ein Schritt in das digitale Zeitalter, andere erlebten rückläufige Entwicklungen.

Vermutlich ist der Prozess der Entkirchlichung längst noch nicht zu Ende, auch Werte werden sich weiter verändern. Es ist anzunehmen, dass gerade die populärkulturellen Formen der Religiosität und Spiritualität weiter zunehmen. Auch neuere Formen konfessionsfreier Sinnstiftungsagenturen haben Konjunktur. Und gleichzeitig haben wir in der Coronakrise erfahren: Gerade in schwierigen Zeiten brauchen Menschen Glauben. „Wegen Corona: Hunderte Sekten schießen in Frankreich aus dem Boden – mit dramatischen Folgen“, titelt etwa die Frankfurter Rundschau im April 2021. In Zeiten, in denen Ängste und Unsicherheiten wachsen, haben eben gerade Anbieter gute Chancen auf Wachstum, die einfache Lösungen, klare Strukturen und Orientierung versprechen.

Wir vermuten, dass unsere Beratungsarbeit auch im kommenden Jahr durch Aus- und hoffentlich Nachwirkungen der Pandemie beeinflusst sein wird. Wir sind dem Land BW und hier insbesondere dem Kultusministerium und der Stabstelle für Religionsangelegenheit sehr dankbar, dass hier so frühzeitig und vorausschauend eine Beratungsstelle wie die unsere ermöglicht wurde. Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, mit denen wir zu tun haben, waren zu unserem Gründungszeitpunkt nicht absehbar. Wir freuen uns deswegen umso mehr, dass die Stabstelle für Religionsangelegenheiten diesen Bedarf so frühzeitig vorausahnte und explizit auch die Beratung im Bereich der Verschwörungstheorien wünschte. Dadurch können wir in Baden-Württemberg auf eine frühzeitig entwickelte und flexibel gewachsene Beratungsstruktur in diesem Themenbereich zurückblicken und konnten in kurzer Zeit eine fundierte Expertise in diesem Bereich aufbauen. Wie wichtig dieser Beratungsschwerpunkt ist, zeigt sich auch an den vielen Anfragen aus anderen Bundesländern, wo hinsichtlich sog. Verschwörungstheorien eine deutliche Unterversorgung besteht. So hoffen und wünschen wir, dass im kommenden Jahr auch in anderen Bundesländern Stellen wie ZEBRA/BW gefördert werden.